Die Details des Berliner Mietendeckels Berlin
Es gibt einen Mietendeckel für Berlin. Seit dem 18. Juni, als der Senat die „Eckpunkte für ein Berliner Mietengesetz“ beschloss, ringen SPD, Linke und Grüne um einen landesgesetzlich geregelten Mietendeckel. Anfang 2020 soll er in Kraft treten.
Kürzlich hat ein Koalitionsausschuss am Freitag ein Thema erörtert, das zwischen den Parteien und im städtischen Berlin kontrovers diskutiert wurde. Zeitweilig standen die Verhandlungen vor dem Abbruch. Dann einigte man sich doch auf ein Neun-Punkte-Programm.
Wer hat den Mietendeckel erfunden?
Im November 2018 wurde in der Juristen-Zeitung ein Aufsatz veröffentlicht, in dem der ehemalige Anwalt Peter Weber, der derzeit im Wohnungswesen des Landkreises Pankow arbeitet, berichtet, die Möglichkeit eines „öffentlich-rechtlichen Mietpreisrechts“ beschrieb. Die Quintessenz des Aufsatzes: Mit der Föderalismusreform 2006 sei die Rechtszuständigkeit für das Wohnungswesen auf die Länder übergegangen. Dies würde es ermöglichen, überhöhte Mieten verwaltungsrechtlich zu verknüpfen, und die Behörden könnten bestimmte Höchstpreise festlegen.
Worüber hat sich die Koalition gestritten?
Zu Beginn der koalitionsinternen Diskussion lagen SPD, Grüne und Linke weit auseinander. Die SPD wollte ausschließlich ein Mietmoratorium, also das Einfrieren der Mieten für fünf Jahre.
Was sagen Verbände und Opposition?
Aus Angst vor der Miete fürchteten sie ein "proaktives, ehrliches Leben", in dem 40 Handwerksbetriebe, Verbände und Vereine organisiert waren, die Berlin in den kommenden Jahren von 20.000 auf 30.000 Fachkräfte verlieren würde, weil Wohnungsunternehmen Sanierungen, Modernisierungen und Neubaupläne zurückfahren würden. Die IHK Berlin äußert sich besorgt über die Initiative und warnt vor den negativen Auswirkungen auf private Investitionen in bestehende Gebäude. Das Mietdeckungsgesetz lautet „Investitionsdeckung“.
Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) hat den Mietendeckel als „Schlag ins Gesicht für die gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft“ kritisiert. Der Verein vertritt private, staatliche und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen in Berlin und Brandenburg. Seine Mitglieder bewirtschaften rund 1,1 Millionen Wohnungen.
Was sagen Rechtsgutachten?
Verschiedene Gutachten, die von Parteien, Verbänden und der Berliner Senatskanzlei in Auftrag gegeben wurden, kommen erwartungsgemäß zu unterschiedlichen Ergebnissen. Denn Rot-Rot-Grün betritt mit seiner Initiative verfassungsrechtliches Neuland. Zuletzt kam der Staatsrechtler Ulrich Battis zu dem Ergebnis, dass ein Mietenstopp juristisch machbar, die Absenkung von Mieten und die Festlegung von Preisobergrenzen aber sehr problematisch sei.
Der Verein vertritt private, staatliche und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen in Berlin und Brandenburg.Der Wissenschaftliche Parlamentsdienst des Bundestages kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Anwälte der Berliner SPD-Fraktion übernehmen ihrerseits die mietrechtliche Kompetenz des Landes.
Viele weitere Analysen bestätigen die alte Weisheit: Zwei Juristen, drei Meinungen. Den Widerstreit zwischen dem Mietrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch und der Länderzuständigkeit für das Wohnungswesen wird wohl das Bundesverfassungsgericht endgültig klären müssen.
Das Mietenmoratorium war in der Koalition von Anfang an unstrittig. Der von Senator Lompscher Mitte Juni eingeführte und vom Senat verabschiedete Eckpfeiler der Mietvertragsgestaltung sieht unter anderem ein fünfjähriges Mietverbot und die Begrenzung der Mietpreise auf den Betrag vor, den der bisherige Mieterhaushalt gezahlt hat.Die Ausnahme bilden Berlins Neubau und Sozialwohnungen, die unseren eigenen Regeln unterliegen. Seit 2022 sollte es möglich sein, die Inflation auf 1,3 Prozent pro Jahr auszugleichen.
Die Absenkung von Mieten war bis zuletzt der zentrale Streitpunkt innerhalb der Koalition. Lompschers ursprünglicher Vorschlag, dass eine Miete dann überhöht sei, wenn die Mietbelastung mehr als 30 Prozent des anrechenbaren Haushaltseinkommens beträgt, ist vom Tisch. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) befürchtet Entschädigungszahlungen an die betroffenen Vermieter aus dem Landeshaushalt. In diesem Fall könnte der Vermieter sogar einen Schadensausgleich vom Land Berlin einfordern, gab der Finanzsenator zu bedenken.
Es gab dagegen auch massive juristische Vorbehalte, außerdem wäre die verwaltungstechnische Umsetzung sehr aufwendig. Trotzdem soll bis zur Verabschiedung des Mietengesetzes im Abgeordnetenhaus noch eine „Untersuchung zum Verhältnis von Einkommenssituation und Mietbelastung angestellt“ werden. Verständigt hat sich die Koalition auf die Kappung von Wuchermieten. So werden Mieten bezeichnet, die mehr als 20 Prozent der im neuen Gesetz verankerten Tabellenmiete betragen. Sie werden auf den Höchstsatz verringert.
Berücksichtigt werden dabei Abschläge für einfache Lagen (- 28 Cent je Quadratmeter) und mittlere Lagen (- 9 Cent) und Zuschläge für gute Lagen (+ 74 Cent). Die Entscheidung des Wuchers sollte neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes angewendet werden.
Geeinigt hat man sich nun auf folgende Grundsätze: Es wird eine Tabelle für zulässige Mietobergrenzen im neuen Landesgesetz geben. Bei Wiedervermietung gilt die Vormiete. Falls die Vormiete die Obergrenze überschritt, gilt die Tabellenmiete. Bei einer Wiedervermietung dürfen besonders niedrige Mieten (unter fünf Euro je Quadratmeter) um höchstens einen Euro auf maximal fünf Euro angehoben werden.
Nach Modernisierungsmaßnahmen soll die Wohnungsmiete nur in sehr engen Grenzen vom Vermieter erhöht werden dürfen. Vorgesehen ist jetzt ein anzeigepflichtiger Aufschlag von einem Euro pro Quadratmeter.Für Modernisierungskosten, die die maximal zulässige Grenze von einem Euro überschreiten, sollten Vermieter Förderprogramme verwenden.
Eigentlich sollte der Rechtsbehelf für das neue Mietengesetz gegenüber dem Gesetzentwurf Lompschers korrigiert werden. Vorgesehen war die Möglichkeit eines sogenannten „Vorverfahrens“. Mieter und Vermieter könnten demnach bei der dann zuständigen Berliner Behörde Widerspruch einlegen, falls sie ihre Rechte gefährdet sehen. Erst danach wäre der Weg zum Verwaltungsgericht offen. Diese Regelung führt zu einer vermutlich starken Belastung der öffentlichen Verwaltung, aber einer deutlichen Entlastung der Gerichte. Im Einigungskatalog für das Mietengesetz ist dieser Punkt allerdings nicht enthalten.
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Es gibt Geld vom Senat, um Sonnenenergie zu nutzen. Wer eine Photovoltaikanlage kauft, kann einen Nachkauf von Solarenergie in Höhe von bis zu 15.000 Euro beantragen, wie die Senatsverwaltung am Freitag in Berlin mitteilt. Bewerbungen können sowohl Einzelpersonen als auch beispielsweise Vereine, Stiftungen, Unternehmen, Genossenschaften oder Wohnungsbaugesellschaften eingereicht werden, die in Berlin eine Photovoltaikanlage errichten möchten. Vorläufige Bewerbungen können nun eingereicht werden.
Mit dem Förderprogramm Energy StoragePLUS will die Senatsverwaltung den Anteil erneuerbarer Energien auch in Zeiten schwacher Sonneneinstrahlung erhöhen. Ziel sei es, die Stromerzeugung durch Photovoltaikanlagen in Berlin deutlich zu steigern, sagte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop. Ein Viertel der Dächer Berlins bietet noch Platz für Sonnenkollektoren, die die Stadt mit Ökostrom versorgen können.
Die Wirtschafts-Senatsverwaltung weitet nach eigenen Angaben mit dem Förderprogramm seine Aktivitäten für ein klimaneutrales Berlin in 2050 aus. Für die Umsetzung ist die IBB Business Team GmbH verantwortlich, ein Tochterunternehmen der landeseigenen Investitionsbank Berlin (IBB).
Der Anteil der Berlin-Absolventen ohne Abschluss ist wieder gestiegen. Im vergangenen Schuljahr seien 7,1 Prozent der Schüler, Mittel- und Gesamtschulen der Zehntklässler ohne Abschluss geblieben, teilte die Bildungsverwaltung am Mittwoch nach Auswertung der Prüfungsdaten mit 23.800 Schülern mit. Im Jahr 2018 lag dieser Indikator bei 7,0 Prozent und im Jahr 2017 bei 4,9 Prozent.
An den Gymnasien erwarben alle Schüler am Ende der Jahrgangsstufe 10 einen Abschluss. 96 Prozent erreichten einen Mittleren Schulabschluss, die übrigen zumindest eine sogenannte Berufsbildungsreife.
Etwas anders sieht das Bild bei anderen Schulformen aus. An Integrierten Sekundarschulen (ISS) blieben 13 Prozent ohne Abschluss (2018: 12 Prozent). 61 Prozent erreichten einen Mittleren Schulabschluss, 27 Prozent Berufsbildungsreife.
In den Gemeinschaftsschulen blieben 12 Prozent ohne Abschluss (2018: 14 Prozent). 61 Prozent erreichten einen Mittleren Schulabschluss und 27 Prozent eine Berufsbildungsreife. Schüler ohne Abschluss haben schlechte Startchancen für das Berufsleben, weil sie nicht einmal eine reguläre Ausbildung aufnehmen können. Es gibt verschiedene Angebote für sie, damit sie sich qualifizieren können. Zuletzt hatten mehrere Studien ergeben, dass Berlin im Ländervergleich eine der höchsten Quoten von Schulabgängern ohne Abschluss hat.
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Berlin und Hamburg kämpfen für neue Sommerferienregeln. Bei einer Konferenz der Bildungsminister (KMC) am Donnerstag und Freitag in Berlin wollen beide Länder kürzere Wochenendzeiten beantragen. Generell sollen die Sommerferien demnach erst ab 1. Juli beginnen, die unterschiedlichen Termine der Länder sollen enger zusammenrücken und die jährlichen Verschiebungen möglichst gering ausfallen.
Das Ziel sei „mehr Kontinuität“ im Schuljahr, sagte die Berliner Bildungssenatorin Sandra Sheres von der deutschen Presseagentur.
„Vor allem Sprünge von einem späten Ferientermin auf einen frühen Ferientermin führen zu einer Verkürzung von Schuljahren“, sagte die SPD-Politikerin. Die derzeit geltende Regelung hat aus ihrer Sicht negative Auswirkungen auf die Lernzeit der Schüler, die Belastung der Lehrkräfte, „schulorganisatorische Prozesse“ sowie auf den Prüfungszeitraum bei den Abschlussprüfungen. Andere Bundesländer reagierten auf dpa-Anfrage zurückhaltend bis ablehnend auf den Vorstoß.
Wer Erfolg hatte, konnte sie schon sehen, die neue S-Bahn für Berlin. Schon dürfen die Triebwagen der Baureihe 483/484 ihre Runden aber nur zu Testzwecken und daher noch ohne Reisende im Berliner Netz drehen. Erst ab 2021 werden die bislang gebauten zehn Prototypen die Fahrzeugflotte der S-Bahn im Alltagsbetrieb verstärken.
Bis dorthin sind die Ressourcen der S-Bahn begrenzt und die stetig größer werdende Zahl von Fahrgästen (2018: 478,1 Millionen, plus 21 Prozent gegenüber 2012) kann nur auf punktuelle Verbesserungen hoffen. Die Reisende im Berliner Südosten werden dennoch schon bald von einer echten Neuerung profitieren. Auf der S3 (Erkner–Spandau) will die Bahntochter zwischen Friedrichshagen und Ostbahnhof Expresszüge fahren lassen.
S-Bahn Berlin: Expresszüge verschaffen Pendlern einen Zeitgewinn
Die aus je vier Wagen bestehenden Zusatzzüge werden nicht nur das Platzangebot auf diesem besonders stark genutzten Linienabschnitt spürbar erhöhen, sie verschaffen den Reisenden auch noch einen kleinen Zeitgewinn. Bis zu 4 Minuten sollen die Expressbahnen früher als die Regelzüge am Zielbahnhof sein. Klingt ein bißchen, kann sich für den Fahrgast zum Beispiel durch früher mögliches Umsteigen etwa im Bahnknoten Ostkreuz am Ende der Reise auf bis zu zehn Minuten Fahrzeitgewinn erhöhen – und dass jeweils bei Hin- und Rückfahrt. Direkt für Pendler dürfte dies eine echte Verbesserung sein.
Erreicht wird die Einsparung damit, dass die voraussichtlich als S3X gekennzeichneten Expresszüge zwischen Friedrichshagen und Ostbahnhof nicht an jeder Station halten. Hinauslassen werden auf der Strecke vier von acht regulären Zwischenstopps, die Züge halten nicht in Hirschgarten, Wuhlheide, Betriebsbahnhof Rummelsburg und Rummelsburg. Die S3X ist montags bis freitags jeweils in der sogenannten Hauptverkehrszeit, also im Berufsverkehr am Morgen und am Nachmittag unterwegs.
Express-S-Bahn bedeuten an anderer Stelle weniger Wagen
Laut S-Bahnchef Peter Buchner soll die Express-S-Bahn aber nicht die einzige Verbesserung bleiben: Die im Berufsverkehr eingesetzten Verstärker auf der S5 (Strausberg Nord–Westkreuz) fahren künftig einheitlich bis Ostbahnhof, die Verstärker für die S75 (Wartenberg–Ostbahnhof) alle bis Warschauer Straße. Auf der S85 (Pankow–Grünau) fahren ab Dezember Züge mit sechs statt wie bisher mit vier Wagen.
Dafür reduziert sich im gleichen Maße die Wagenzahl bei den S75-Verstärkern. „Wenn wir irgendwo mehr Wagen einsetzen, müssen wir sie anderswo wieder wegnehmen“, räumte S-Bahnchef Buchner ein. Viele Spielraum werde es erst mit der neuen Baureihe geben. Bis Oktober 2023 will die S-Bahn insgesamt 382 der von Stadler und Siemens gebauten Wagen in Betrieb nehmen. Da in gleichen Zeit nur 160 Wagen der alten Baureihe 485 ausgemustert werden, gibt es unterm Strich einen Zuwachs in der Fahrzeugflotte.
Bankierzüge mit Tempo 120: Expresszüge der S-Bahn gab es schon in den 1930 Jahren
Die Idee, Züge an einzelnen Stationen durchfahren zu lassen, hatte die S-Bahn bereits vor knapp zwei Jahren. Experten arbeiteten da an einem Programm für mehr Pünktlichkeit. Als besonders verspätungsanfällig galten die Ringbahnzüge. Deren Fahrplan ist immerhin so knapp gestrickt, dass längere Zwischenstopps etwa durch zu viele ein- oder aussteigende Fahrgäste rasch den gesamten Ringbahnverkehr durcheinander bringen.
Fahren Züge an einzelnen Stationen durch, könnten sie ihre Verspätung aufholen – so die Überlegung. Im Gespräch war, die Halte an weniger stark frequentierten Bahnhöfen wie Halensee, Hohenzollerndamm und Heidelberger Platz auszulassen. Nach einem Sturm der Entrüstung ließ die S-Bahn diesen Plan dann rasch fallen.
S-Bahn Berlin: Die Expresszüge fahren zusätzlich zu regulären Bahnen
Mit Protesten wie im Vorjahr muss S-Bahnchef Buchner jetzt nicht rechnen. Der große Unterschied zum Konzept von 2018: Die Zugdurchfahrten sind im Fahrplan eingearbeitet, jeder Fahrgast kann sich darauf vorab einstellen. Zweiter Pluspunkt: Die Expressfahrten erfolgen zusätzlich, wer in Hirschgarten oder Rummelsburg einsteigen will, für den hält die S-Bahn wie gewohnt alle zehn Minuten an seinem Heimatbahnhof.
Bereits in den 1930er-Jahren rauschten sogenannte Bankierzüge mit Tempo 120 ohne Halt von Zehlendorf zum damaligen Potsdamer Bahnhof in die Innenstadt durch. Die „Bankierzüge“ fuhren morgens alle 20 Minuten und anschließend tagsüber stündlich.
Die Fernbahngleise auf der Wannseebahn wurden für sie extra mit einer Stromschiene ausgerüstet. Politisch bedingt waren hingegen in den 1950er-Jahren die „Durchläufer“, die bei Fahrten aus dem Umland in den Ostteil der Stadt die Stopps auf West-Berliner Gebiet einfach ausließen.
Weitere Expresszüge der S-Bahn bislang nicht geplant
Aktuell lässt die S-Bahn vor und nach Veranstaltungen im Berliner Olympiastadion Sonderzüge zwischen dem Stadion und Charlottenburg fahren, die in Heerstraße ohne Halt durchfahren. Weitere Express-S-Bahnen sind laut VBB derzeit nicht geplant. Ebenfalls, weil dies nur auf Abschnitten mit ausreichend großen Zeitfenstern möglich ist. Im Nord-Süd-Tunnel etwa fahren die Züge schon heute alle zwei bis 3 Minuten.
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Die schmale Truderinger Bahnstraße soll für Laster über 3,5 Tonnen gesperrt werden, das hat der Stadtrat vergangene Woche beschlossen. Die meisten Lkw fahren auf dem Weg von der Mühlhauser-Pressfabrik in Haar eine Wohnstraße entlang, zur B304. Die direkte Alternativroute zur B304 durch eigenes Gebiet hat die Gemeinde für Lkw gesperrt.
München - Trudering - Haar: Streitpunkt Bahnstraße
Am Haarer Rathaus sind Sie fassungslos "das einseitige Vorpreschen der Münchner Stadträte".Während des Jahres haben Sie in einer interkommunalen Arbeitsgruppe mit der Landeshauptstadt nach Lösungen für das Verkehrsproblem gesucht. Bisher habe man angenommen, mit München auf Augenhöhe im Austausch zu sein, so Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller. "Dachte ich jedenfalls – bis heute. Jetzt hat das Tischtuch einen Riss."
Das wissen trügerische Politiker und Bürger schon lange, anders als der Chef des Haarer Rathauses. Sie haben Unterschriften gesammelt, immer wieder Anträge mit Verbesserungsvorschlägen an die Stadt gerichtet, genutzt hat das nichts. Das Planungsreferat teilte stets mit, Entlastung für die Bahnstraße gebe es erst, wenn die Verbindungsstraße durchs wilde Gewerbegebiet Rappenweg zwischen Gronsdorf (Gem. Haar) und der Truderinger Schwablhofstraße gebaut sei.
Entlastende Verbindungsstrecke geplant - auch für Laster?
Das scheiterte, weil der Stadt Grundstücke und ein Strukturkonzept für die Ordnung der ungenehmigten Gewerbesiedlung fehlten. Wie berichtet, haben Investoren nun Grundstücke am Rappenweg erworben und die Arbeit der Fabriken eingestellt, wahrscheinlich rückt die Durchdringung der Straße näher. Dies dürfte für Eisenbahntraktoren kaum von Nutzen sein, da Haar 2016 einen Streckenabschnitt zur Eröffnung einer neuen Wohnanlage errichtete. Deren Breite und Kurvenradius ist für Laster ungeeignet, denn laut Gabriele Müller war nie vorgesehen, Schwerlastverkehr darüber zu leiten.
In Gronsdorf wird munter weiter gebaut: Wohnungen, ein Rewe-City, Gastronomie. Und das Bezirk will dort einen Schulcampus mit Fachober-, Pflege- und Realschule für 2.000 Schüler errichten. Wenn alles in Ordnung ist, wird laut Verkehrsmeldungen der Schnittpunkt der Eisenbahnlinie mit der B304 an seine Grenzen stoßen.München möchte in Gronsdorf bauen, 135.000 Quadratmeter Land gehören zur Stadt. Baurecht will Haar erst ausweisen, wenn der Rappenweg-Durchstich realisiert ist.
Nun hat der Stadtrat auf Antrag des Truderingers Hans Podiuk (CSU) einstimmig das Lkw-Verbot beschlossen.Wenn die Entscheidung nach Prüfung durch das "Magistrat" getroffen wird, erklärt Müller die Klage: "Wir werden uns nicht kampflos verneigen."Ob wirklich gesperrt werden kann, prüft nun das KVR und nicht das Kommunalreferat.
Wenn einige Tausend Studenten zum Uni-Campus in Frankfurt strömen, kommt der Autoverkehr ins Stocken. Eine hochgefährliche Situation, finden Studentenvertreter.
Frankfurt - 50 Jahre lang ist Theodor W. Adorno tot. Und nicht nur seine Weisheit fehlt. Aber auch sein Kampf für mehr Fußgängerschutz forderte er 1962 per Brief an die FAZ-Redaktion.
Die Ampel wurde zwar erst 18 Jahre nach Adornos Tod vom Institut für Sozialforschung in Senckenberganlage installiert. Doch die "Adorno-Ampel" ist weithin bekannt, ja, sogar touristisches Ziel.
Frankfurt: Goethes Verkehrschaos - Tausende von Studenten gehen die Straße entlang
Einen derart wackeren Mitkämpfer für Fußgängersicherheit sehnt sich Sebastian Heidrich herbei, der Verkehrsreferent der Studierendenvertretung AStA. Auf dem neuen Goethe-Uni-Campus im Westend ist die Situation für Passanten erneut sehr gefährlich: in Hanzal.
Während der Vorlesungstage überqueren Tausende von Studenten und Mitarbeitern auf der Ebene der Holzhausenstraße die Hansaallee auf dem Weg zwischen U-Bahn-Station und Campus. In langgezogenen Pulks laufen Dutzende, zeitweise Hunderte direkt nördlich der Kreuzung über die Gass'.
Goethe-Uni Frankfurt: Straßenverkehrsamt: "Wir haben gemacht, was möglich ist."
Um für mehr Sicherheit zu sorgen, hatte die Stadt hier erst eine provisorische Mittelinsel eingerichtet und Tempo-30-Schilder aufgestellt, dann ein Schachbrettmuster auf die Fahrbahn gemalt. Das ist vor geraumer Zeit durch große, auffällige, rote Farbflächen ersetzt worden.
Obwohl sie keine rechtliche Bedeutung haben, sind sie "ein Aufmerksamkeitsfeld", sagte Dorothy Allecotte von der Verkehrsbehörde. Sie ist überredet: "Wir haben gemacht, was möglich ist."Das mit der Aufmerksamkeit funktioniert zumeist: Viele Autofahrer tun langsam, mancher wohl auch irritiert wegen der roten Fahrbahn.
Frankfurt: Goethe-Universität - Die Stadt ist mit bisherigen Maßnahmen zufrieden
Nahezu alle stoppen, wenn der Fußgängerpulk herüber drängt. "Es hat ziemlich gut funktioniert", ist Dorothee Allekotte zufrieden. "Studenten machen ihren Weg wegen ihrer Masse."
Echte Sicherheit für die Fußgänger sei das nicht, kritisiert Sebastian Heidrich. "Wie beim Klimapaket: Es ist schön, dass etwas gemacht wurde, aber das reicht nicht." Ein Zebrastreifen oder eine Ampel sind wegen der Nähe zur Nachbarkreuzung aber nicht möglich, wendet Dorothee Allekotte ein. Was der AStA-Referent versteht.
Frankfurt:Campusweg - Ampel in der Nähe
Außerdem könnten die Studenten die Ampel an der nur 65 Meter entfernten Kreuzung mit der Bremer Straße nutzen, betont die Fachfrau. "Der Hinweis ist aber müßig", räumt sie ein. "Die Studenten laufen schräg herüber, um keinen Meter mehr als nötig zu gehen."
Der AStA warnte kürzlich erneut vor anhaltendem Risiko und forderte eine Entscheidung des Verkehrsbeauftragten Klaus Österling (SPD). "Aus Sicht des Magistrats hat sich die Mittelinsel als Querungshilfe bewährt", antwortet Oesterling. Und er betont: "Unfälle sind nicht bekannt."
Goethe-Uni Frankfurt: Studenten laufen über Straße - Autofahrer müssen warten
In der Tat: Sobald der Autoverkehr steht, ist das Queren der Fahrbahn für die Studenten sicher. Abgesehen von nicht wenigen Radfahrern, die wild klingelnd und ohne ihr hohes Tempo zu reduzieren an der Autoschlange vorbei rasen und darauf setzen, dass die querenden Studenten schon wegspringen.
Doch strömen die Studenten erst einmal, kann es dauern. 1, 2, 3 Minuten vergehen morgens gegen zehn, wenn der Menschenstrom nicht abreißt. Nach kurzer Zeit wird es dann etwas weiter nördlich laut: Gehupe schallt über die Kreuzung Bremer Straße, weil die aufgestauten Fahrzeuge die anderen Richtungen blockieren.
Frankfurt: Studentenvertreter nicht zufrieden - Lösungsvorschlag
Die aktuelle Lösung, resümiert Sebastian Heidrich, "bringt nichts für beide Seiten". Deshalb fordert er: "Der Abschnitt zwischen Bremer und Holzhausenstraße muss eine Wildstraße werden, oder er muss komplett gesperrt sein."
Die direkt parallel verlaufende Eschersheimer Landstraße sei hier nur schwach befahren und könnte den Verkehr aufnehmen. So könne die Stadt auch den Durchgangsverkehr aus dem Wohngebiet heraushalten, wirbt der AStA-Referent.
Chaos an Goethe-Uni: "Sehr gefährlich", finden auch Wissenschaftler
Die Wissenschaft unterstützt die Forderungen: Ein Forschungsseminar im Fachbereich Geographie hatte 2014 ermittelt: "Der Weg vom U-Bahnhof Holzhausenstraße zum Campus ist überlastet und sehr gefährlich."
Lösung: "Perspektivisch sollten Hansaallee und Holzhausenstraße verkehrsberuhigt werden." Das lehnt die Stadt ab: "Die Hansaallee ist eine Grundnetzstraße, die kann ich nicht sperren, nur weil stoßweise mehr Verkehr unterwegs ist", sagt Dorothee Allekotte. Rechtliche Handhabe habe die Stadt dafür nicht. "Und ich sehe auch die Notwendigkeit nicht."
Das sähe Adorno womöglich anders. Vor 57 Jahren warnt der Soziologe, dass Universitätsangehörige beim Queren von Straßen stark gefährdet seien: "Sollte nun ein Student, oder ein Professor, in jenem Zustand sich befinden, der ihm eigentlich angemessen ist, nämlich in Gedanken, so steht darauf unmittelbar die Drohung des Todes."
Von Dennis Pfeiffer-Goldmann
Diese Art des Studiums im Frankfurter Westend ist gefährlich, die Eltern der Holzhausener Schüler fordern Maßnahmen der Stadt.